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Landschaft Bauen und Gestalten 01 | 2015

Anzeige Prof. Dr. Armin Nassehi bei den „Kamingesprächen“ des GaLaBau NRW in Gelsenkirchen „Die Zukunft findet heute statt“ „Zukunftstrends sind immer Fiktionen der Gegenwart“, so der Soziologe Prof. Dr. Armin Nassehi. Daher können Ideen aus der Vergangenheit, die heute als falsch angesehen werden, damals durchaus richtig gewesen sein. Wie der Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München bei den jährlichen „Kamingesprächen“ des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus NRW in Gelsenkirchen deutlich machte, wird im Allgemeinen an die Zukunft immer mit dem Wissen und den technischen Möglichkeiten der Gegenwart gedacht. Dabei hob der Forscher vor den mehr als 160 Gästen hervor, dass Wissen nicht nur Lösung, sondern auch Pro- blem sein kann. Denn Wissen bringe nicht nur weiter, sondern könne auch blockieren. Als ein Beispiel kann der Mau- erfall genommen werden, der zu jener Zeit jenseits aller Denkbar- keiten lag. Und mathematisch gesehen war der demografische Wandel bereits in den 1970er- Jahren absehbar, passte damals aber nicht in die vorherrschenden Wissens-Zusammenhänge. Ein weiteres Beispiel: Während sich Ende der 1960er-Jahre Mediziner sicher waren, dass es in Zukunft keine Infektionskrankheiten mehr geben würde, erleben wir heute Ebola als tödliche Bedrohung auf die die Welt wenig vorbereitet zu sein scheint. Um die Komplexität der Gesell- schaft beim Erdenken von Zukunft zu veranschaulichen, zog der Wissenschaftler den Klimawan- del heran: Aus einer politischen Perspektive betrachtet, lässt sich der Klimawandel über Resolu- tionen managen. Dagegen lässt sich aus Sicht der Wissenschaft fragen, welche Zahlen überhaupt realistisch sind. Und schließlich auf die individuelle Perspektive bezogen, ist jeder dazu bereit, sich einzuschränken – vor allem, wo es ihm selbst nicht wehtut. Aus dieser Gemengelage ergeben sich unterschiedliche Lösungskon- zepte, die in einer demokratischen Gesellschaft kontrovers diskutiert werden. Dies wird noch verstärkt durch die neuen technischen Möglich- keiten, sich zu vernetzen – also einfacher als früher mit Menschen in Kontakt zu treten, die eigene Erfahrungen einbringen. „Wissen verteilt sich.“ Und dazu kommen digitale Suchmaschinen: „Zum ersten Mal wird gefunden, was nicht gesucht wurde“, betonte der Professor. „Daten lassen sich rekombinieren.“ Für Zwecke, für die sie gar nicht erhoben worden sind. Da stellt sich die Frage: Wie lässt sich das Unkontrollierte regulieren? Nassehi zufolge werden sich in einer Welt, in der Algorithmen neue Informationszusammenhänge verfügbar machen, unsere Vor- stellungen von Qualifikation und Führungseliten verändern müssen. „Qualifikation wird in Zukunft nicht mehr ein für alle Mal erwor- ben.“ Bedeutet: Hochqualifizierte werden künftig nicht lange als solche gelten, die Bereitschaft der Mitarbeiter zur Weiterbildung wird ein Bestandteil unternehmerischer Strategien werden müssen, wenn es um die betriebliche Kompetenz- sicherung geht. Gebraucht werden darüber hin- aus Führungskräfte für Positionen, in denen Entscheidungen getroffen werden müssen. Menschen, die über die Fähigkeit verfügen, in Situationen mit fehlenden Infor- mationen dennoch richtige Ent- scheidungen zu treffen. Dies sind laut Prof. Dr. Nassehi die Eliten, die für Gesellschaft und Wirtschaft wichtiger werden. Diese Perso- nen müssen in der Lage sein, die gesellschaftliche Entwicklung aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und als Übersetzer komplexer Sachverhalte zu wirken. Denn: „Das Grundmodell des klassischen Industrie- und Wohl- fahrtsstaates ist in der Krise.“ Das Erfolgsmodell Europas, durch eine wachsende Wirtschaft einen Sozi- alstaat zu pflegen, wird brüchiger. Ständiges Wirtschaftswachstum ist erforderlich für eine „Umver- teilung von Mitteln, die nicht vorhanden sind“. Dabei ist nicht zuletzt die politische Mehrheiten- Beschaffung über Geldausgaben für bestimmte Zielgruppen in Frage zu stellen. Prof. Dr. Armin Nassehi: „Der Sozialstaat muss neu erfunden werden.“ Mit Prof. Dr. Armin Nassehi (l.) konnte GaLaBau NRW-Präsident Hans Christian Leonhards (r.) bei den „Kamingesprächen“ einem Referenten den Landschaftsgärt- ner-Schirm überreichen, der interessante Einblicke ermöglichte, warum es schwierig ist, in komplexen Situationen zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen. Wenn heute Entscheidungen aus der Vergangenheit falsch wirken, bedeutet dies nicht, dass sie früher nicht doch richtig waren, machte der Soziologe Prof. Dr. Armin Nassehi deutlich. Fotos: pcw GaLaBau intern | 21 LandschaftBauen&Gestalten01/2015

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