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Landschaft Bauen und Gestalten 12|2014

LandschaftBauen&Gestalten12/2014 20 | Interview Christian Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen „Innenverdichtung statt weitere Flächenversiegelung“ Christian Kühn ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecher für Bau- und Woh- nungspolitik der Bundestags- fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Zudem ist er Obmann des Unterausschusses Kommu- nales. „Landschaft Bauen & Gestalten“ hat ihm einige Fra- gen zum Thema Stadtentwick- lung gestellt. Herr Kühn, in Ihrer Bundestags- rede vom 31. Januar haben Sie angekündigt, dass die Bundes- regierung von der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine konstruktive Oppositionsarbeit in der Wohnungs- und Baupolitik erwarten könne und dafür Sorge tragen wolle, dass das Thema Bauen und Wohnen in diesem Parlament einen größeren Stel- lenwert bekommt. Welche Rolle spielt lebendiges Grün und eine grüne Infrastruktur im Span- nungsfeld Bauen und Wohnen für Sie in diesem Zusammenhang? Kühn: Wir Grünen sehen städ- tisches Grün als lebenswichtig für unsere Städte und Gemeinden an. Immer mehr Menschen leben in mittleren und großen Städten, in Deutschland sind es 75 %. Natur­ erleben findet größtenteils hier statt. Wegen des Klimawandels wird Kühlung und Wassermanage- ment in Städten immer wichtiger, Grünflächen und begrünte Dächer sowie Straßen leisten hier einen großen Beitrag, hier muss viel mehr passieren. Die Städtebauför- derung fördert schon immer auch städtisches Grün. Klimaschutz und Klimaanpassung sollte in der Pro- grammgestaltung und -umsetzung einen größeren Stellenwert bekom- men. Grün zum Selbermachen wie städtische Gärten wurden bei- spielsweise im Rahmen der Sozi- alen Stadt gefördert. Hier sind die nicht-investiven Maßnahmen, die Beteiligung ermöglichen, beson- ders wichtig. Diese wurden leider abgeschafft und auch die Große Koalition setzt nur auf bauliche Investitionen. Beim Neubau ist es nötig, durch gute Stadtplanung Biotope und Grünflächen zu erhal- ten und neu zu schaffen. Häufig wird aber von einer Umweltprü- fung sogar abgesehen. Oft lässt sich das Fällen alter Baumbestände vermeiden und Grün im Gebäude integrieren. Der öffentliche Raum bietet weitere Ressourcen: Vie- lerorts sinken die PKW-Zahlen durch Carsharing und vernetzte Mobilität, so dass Straßen- und Parkflächen umgenutzt werden können. Durch Quartiersentwick- lung, etwa bei der energetischen Sanierung, können Klimaanpas- sung, flächen- und CO2-sparende Mobilität und Grünversorgung durch die Kommunen gleich mit geplant und organisiert werden. Dieser Ansatz ist heute viel zu wenig verbreitet, das wollen wir ändern und dafür auch Mittel aus dem Abbau umweltschädlicher Subventionen bereitstellen. Klima- schutz hat für die große Koalition leider keine Priorität, und so düm- pelt auch dieser Quartiersansatz in überschaubaren Modellprojekten vor sich hin. Grüne Baupolitik steht für den ökologischen und klimagerechten Stadtumbau. Städte, Gebäude und die soziale Infrastruktur sollen energetisch modernisiert werden, damit Heizen und Strom- erzeugung zu den Klimazielen beitragen. Kann aus Ihrer Sicht die Dachbegrünung – die aktuell auch von KfW gefördert wird – als eine ökologische Alternative zur energetischen Sanierung zur Erreichung der Klimaziele beitragen? Kühn: Die Begrünung von Dächern wird nicht helfen können, die stetig steigenden Heizkosten zu stoppen. Dachbegrünung ist für den CO2-Ausstoß und die positive Beeinflussung des Stadtklimas sinnvoll und wichtig, aber sie ersetzt keine energieeffizienten Gebäude und Stadtviertel. Wo sehen Sie Forschungsbedarf zum Thema Grün in der Stadt beziehungsweise zu grünen Technologien (z. B. Dachbegrü- nungen)? Warum ist es für Sie als verantwortlicher Politiker wichtig, entsprechende Ergebnisse zu haben? Kühn: Wir müssen herausfinden, inwieweit die fehlende Umwelt- prüfung beim vereinfachten Ver- fahren der Bauplanung Stadtnatur beeinträchtigt und inwieweit sie einer doppelten Innenentwick- lung dient: der Begrenzung von Flächenneuinanspruchnahme einerseits und einer hohen Grün- versorgung andererseits. Die Bundesregierung sieht hier keinen Handlungsbedarf, wie sie auf unsere Kleine Anfrage hin angab. Außerdem müssen die Natur- und Umweltwirkungen von Stadt- grün in der Bauplanung verstärkt Anwendung finden. Vorausset- zung ist, dass die entsprechenden Kenntnisse über die städtischen Flächen vorliegen. Wir müssen mehr darüb­er erfahren, wie man auf engem Raum lebenswertes und gleichzeitig ökologisch wertvolles Grün erhalten und vergrößern kann und wie sich grünere Nutzungen des öffentlichen Raumes auf die Lebensqualität in unseren Städ- ten und Gemeinden auswirken. Wie können wir diese Wirkungen verstärken – auf das Kinderspiel, Gesundheit, mehr Bewegung und weniger Lärm, soziale Begegnun- gen und die Teilhabe? Welche Bedeutung haben die städtischen Freianlagen hinsicht- lich der Biodiversität, was muss zukünftig getan werden, um die Biodiversität in Städten zu erhal- ten oder zu erhöhen? Kühn: Grüne Stadtentwick- lungspolitik heißt immer auch Naturschutz in der Stadt. Grün- flächen sollten auch tatsächlicher Lebensraum für die bei uns hei- mischen Arten sein. Außerdem möchten wir natürliche Freiräume, die für alle Bewohner zugänglich sind und von ihnen mitgestaltet werden können. Wir müssen uns meiner Meinung nach stärker für eine doppelte Innenentwicklung einsetzen, für die Begrenzung von Flächenneuinanspruchnahme außerhalb der Städte durch Umnutzung innerstädtischer Flä- chen bei einer gleichzeitig hohen Grünversorgung in den Städten und Gemeinden. Heute werden in Deutschland immer noch täglich 74 Hektar zusätzliche Flächen baulich oder anderweitig neu in „Beim Neubau ist es nötig, durch gute Stadtplanung Biotope und Grünflächen zu erhalten und neu zu schaffen.“ Christian Kühn

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